Die Kryptologie ist eine Wissenschaft, die sich mit der Verschlüsselung und Entschlüsselung von Informationen und mit ihrer Sicherung befasst. Ganz allgemein gesprochen, wird aus einem Klartext durch Chiffrierung ein Geheimtext und durch Dechiffrierung aus diesem wieder ein Klartext. In den "Erläuterungen zur Interrogativen Ethik" wird dieses Verfahren in philosophischer Art und Weise angewendet.
Vor allem durch mathematische Verfahren und die Verwendung von Computern hat sich die Kryptologie heutzutage enorm weiterentwickelt und die Kryptierung wird in großer Breite und Anzahl verwendet (Kryptowährungen, Netzwerke). Die neu aufkommenden Überlegungen der Krypto-Ethik befassen sich mit dem richtigen Umgang mit den neuen Technologien und Währungsformen (Illegalität, Schutz der traditionellen, staatlichen Währungen, Datenschutz usw.). Diese Formen der angewandten Ethik sind hier nicht gemeint.
Die Interrogative Ethik verwendet kryptologische Vorgehensweisen und Begriffe analog zur allgemeinen Kryptologie, um ihre eigene Argumentation verständlich zu machen und zu beschreiben. Diese besonderen Formen der philosophischen Ver- und Entschlüsselung sind die Kryptophilosophie und im Fall der Praktischen Philosophie die Kryptoethik. Der Interrogativen Ethik geht es um den konstitutiven Umgang der Interrogation mit der Ethikbegründung, nicht um die Reglementierung der Kryptologie - sie ist keine normative Disziplin. Die Kryptologie wird innerhalb der Argumentation der Interrogativen Ethik als philosophische Methode verstanden.
Die Verschlüsselung von philosophischen Begriffen, Methoden oder Verfahren wird in den "Erläuterungen zur Interrogativen Ethik" als Dekonstruktion durchgeführt. Besonders die sehr grundlegenden oder metaphysischen Vorannahmen oder Fragevoraussetzungen in der Ethik werden auf den Prüfstand gestellt. Sie werden aber nicht kritisiert, skeptisch behandelt oder vernichtet, sondern verschlüsselt. Die Verschlüsselung fällt viel leichter als die Vernichtung, denn die Vernichtung erfordert sehr starke (u.U. metaphysische) Argumente. Die Verschlüsselung wird philosophisch verstanden, nicht mathematisch. Es wird bestimmten Begriffen ein begleitendes Merkmal hinzugefügt - der Verschlüsselungscode - der sie unkenntlich macht. Die philosophische Verschlüsselung ist viel umfangreicher und komplexer als jede andere Verschlüsselung. Die Dekonstruktion als kryptografisches Verfahren, findet in der Chiffre der Fraglichkeit ihr Ende.
In einem Gedankenexperiment können von jeder Personen Verschlüsselungen bzw. Dekonstruktionen vorgenommen werden, um metaphysische und dogmatische Elemente für das Vergessen vorzubereiten. Die Verschlüsselung bzw. Dekonstruktion kann allgemein und öffentlich beschrieben werden. Das eigentliche Vergessen findet dann statt, wenn der Verschlüsselungscode gedanklich aufgehoben wird. Es wird dann ein privater Schlüssel zur Entschlüsselung bzw. Dechiffrierung von Chiffren der Fraglichkeit notwendig. Dieses Verfahren wird als eine asymmetrische Verschlüsselung verstanden. Der Code zur Verschlüsselung und der Code zur Entschlüsselung unterscheiden sich.
Die Dechiffrierung als philosophischer Akt stellt eine sogenannte Entzifferung dar. Sie ähnelt der Entzifferung einer unbekannten Sprache oder Schrift, bei der weder die Bedeutung der Wörter noch die Grammatik bekannt sind. Die Entzifferung der grundsätzlichen Codes der Ethik wie sie in chiffrierter Form in der Chiffre der Fraglichkeit vorliegen, ist nur durch eine Kryptoanalyse bzw. Konstruktion zu erreichen. Sie bedient sich in den "Erläuterungen zur Interrogativen Ethik" folgender Elemente: Privatheit, Sprachlichkeit, Interrogation, Zirkularität und transzendentale Methode.
Nicht die kanonische Aneinanderreihung dieser Elemente, führt aber zu einem ethischen Ergebnis, sondern die Synthese der Elemente. Das Ergebnis ist die Befähigung, ethische Fragen überhaupt stellen zu können. Diese Befähigung wird in den "Erläuterungen zur Interrogativen Ethik" als Reine Frage bezeichnet.
Der Weg in die Verschlüsselung hinein und aus der Verschlüsselung heraus ist der Weg der Kryptoethik. Die Kryptoethik ist der Teil der Interrogativen Ethik, der Dekonstruktion und Konstruktion verbindet.
Um es noch plakativer zu sagen: Unerwünschte philosophische Begriffe, die der Interrogativen Ethik bei ihrer Argumentation hinderlich sind, werden verschlüsselt und sind dadurch fraglich und unbekannt. Sie können dem Vergessen preisgegeben werden. Diese sind die dogmatischen, ideologischen und metaphysischen Grundannahmen, die den meisten Ethiken zugrunde liegen. Sie sind selbst unbegründet, weil sie nicht befragbar sind. Dieses 'Reinigungsverfahren' erlaubt der Interrogativen Ethik einen Neuanfang mit den oben genannten Elementen. Die Reine Frage als Grundbegriff der Interrogativen Ethik ist privat, sprachlich, fragend, zirkulär und transzendental. Aus dieser Mixtur ergibt sich die Kompetenz, neue philosophisch-ethische Fragen zu stellen. Sie ist Konstitutivum bzw. Kointerrogativum der Interrogativen Ethik.
J.H.
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