Der Sinn des Artikels ist es, über einen Vergleich der beiden Begriffe Konstitution und Kointerrogation zu erklären, was mit dem Begriff Kointerrogation gemeint ist.
Fangen wir mit dem einfacheren Begriff an, dem Begriff der Konstitution. Zunächst bedeutet er im allgemeinen Sinn Verfassung, im speziellen Sinn aber auch die Verfassung eines Staates, wie etwa das Grundgesetz. In der Philosophie wird auch der abgeleitete Begriff konstitutiv verwendet. Konstitutionsbedingungen können als ontologische, logische, transzendentale Bedingung usw. verstanden werden - als conditio sine qua non. Bedingung und Bedingtes sind untrennbar verbunden. Immanuel Kant versteht darunter: "objektive Erfahrung und Erfahrungsobjekte begründend, bedingend, bestimmend" (R. Eisler, Kant-Lexikon, S. 304). Die bedingenden Momente sind bei Kant die Anschauungsformen Raum und Zeit und die Kategorien in Form von Begriffen. Eine Erfahrung an sich und Erfahrungsobjekte an sich gibt es bei Kant nicht. Nur die eben genannte Verbindung ermöglicht Erkenntnis. Die Konstitutionsbedingungen der empirischen Erkenntnis sind bei Kant selbst nicht aus der Erfahrung zu gewinnen, sondern a priori.
Das Wort Konstitution setzt sich aus con und stituieren, also aus verbinden und setzen zusammen. Es kann also mit verbindend zusammensetzen oder einfach zusammensetzen übersetzt werden. Und nun kommt die semantische Unterscheidung zum Begriff Kointerrogation. Der Begriff Kointerrogation hat keinen setzenden, sondern einen fragenden Charakter. Er kann also im Deutschen als verbindend fragen oder zusammenfragen verstanden werden.
Im Rahmen der Neuformulierung der Ethik in einer interrogativen Form wurde die Neuformulierung eines Begriffs notwendig, der einen ähnlichen methodischen Charakter wir die Konstitution hat, aber auf das setzende Moment verzichtet. Kointerrogation bzw. kointerrogativ oder kointerrogieren bedeutet, die Verbindung von fragenden Momente und ihren Bedingungen herzustellen. Unter welchen Bedingungen können Fragen ganz grundlegend und in der Handlungstheorie bzw. Ethik gestellt werden. Der Clou der ganzen Argumentation ist folgender: Nur wer sich der Bedingungen der Möglichkeit seiner ethischen Fragestellungen versichert hat, kann auch von einer Begründung der Theorie ausgehen. Kointerrogation bedeutet also das Zusammenbringen von Fragen und Begründungen. Nun ist dieses Verfahren aber nicht ganz einfach durchzuführen, da alle interrogativen Bedingungen der Möglichkeit beim Fragen mit bedacht werden müssen. Bestimmte Gründe, philosophisch-ethisch zu Fragen, müssen dabei ausgeschlossen werden, da sie das Kriterium, Bedingung der Möglichkeit zu sein, nicht erfüllen. Psychologische, ontologische, religiöse, logische, dogmatische, axiomatische, metaphysische Bedingungen für Fragestellungen sind daher nicht möglich. Sie werden in einem zweistufigen Verfahren (Reflexion und Dekonstruktion) ausgeblendet und dem Vergessen Preis gegeben. So bleiben bei einem kointerrogativen Verhältnis nur Bedingungen der Möglichkeit bzw. Bedingbarkeiten der Möglichkeit als gültige Bedingungen übrig. Der Konnex zwischen Fragen und Begründen bzw. zwischen Befragbarkeit und Begründbarkeit ist die Kointerrogation. Der Zusammenhang ist unlösbar und innig. Teile sind separat nicht formulierbar. "Die Bedingungen der Möglichkeit des philosophischen Fragens im Sinne der Interrogativen Ethik, die Fragebegriffe, beziehen sich nicht auf Erkenntnisse, sondern auf das Handeln" (Erläuterungen zur Interrogativen Ethik, S. 143). Die Verbindung von Befragung und Begründung bzw. Befragbarkeit und Begründbarkeit ist eine transzendentale bzw. eine supratranszendentale. Das bedeutet, dass sich die Befragung auf die Bedingung der Möglichkeit zu Fragen und die Befragbarkeit auf die Möglichkeit der Bedingung der Möglichkeit der Befragung richtet - also auf sich selbst. Die Begründung bzw. Begründbarkeit des eigenen Fragens ist die Bedingung der Möglichkeit bzw. die Bedingbarkeit der Möglichkeit. So ist Begründung nur als Bedingung der Möglichkeit und Begründbarkeit nur als Bedingbarkeit der Möglichkeit denkbar und handelbar.
J.H.
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